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Doppelleben

Erschienen am 01.11.2004
9,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442457120
Sprache: Deutsch
Umfang: 448 S.
Format (T/L/B): 3 x 18.4 x 11.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Daniel Savage ist Richter Ihrer Majestät - und ein notorischer Lügner: Seine vielen Affären hat der Schürzenjäger stets vor der Familie geheim gehalten. Nun aber hat er Frieden mit seiner Frau Hilary geschlossen. Doch die Stimmen aus seinem abgelegten Doppelleben wollen nicht verstummen. Eines Tages wird er von den Brüdern seiner koreanischen Exgeliebten zusammengeschlagen, und sein unaufhaltsamer Abstieg beginnt.

Autorenportrait

Tim Parks wurde 1954 in Manchester geboren, wuchs in London auf und studierte in Cambridge und Harvard. Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem "Somerset Maugham Award". Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ist er als Übersetzer tätig (u. a. von Italo Calvino und Alberto Moravia) und unterrichtet Literarisches Übersetzen an der Universität von Mailand. Tim Parks lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Verona.

Leseprobe

1 Es gibt kein Leben ohne Doppelleben. Und doch hat man irgendwann genug davon. Als der Konflikt endlich gelöst war, der ihre Ehe jahrelang begleitet hatte, und eine finanziell gesicherte Zukunft winkte - er war gerade zum Strafkammerrichter ernannt worden -, nahmen Daniel Savage und seine Frau Hilary den Erwerb eines Hauses in Angriff, das damals auf den Hügeln nördlich ihrer Heimatstadt gebaut wurde. Es war ein klarer Tag, erinnerte sich Daniel später; die windgepeitschte, noch winterliche Landschaft war in gläsernes Licht getaucht; und als er diese schwerwiegende Entscheidung getroffen hatte, da hatte sich seiner ein nie da gewesenes Gefühl der Klarheit bemächtigt. Er und seine Frau umarmten einander im Rohbau dessen, was ein gediegenes Fünf-Zimmer-Haus zu werden versprach, frei stehend in einem weitläufigen Garten. Die sollen doch noch einen Kamin einbauen, sagte Hilary. Vor dem wir alle zusammen sitzen können. Daniel stimmte zu. Allzu lange hatten sie in Streit gelebt. Der Frühling hier wird einmalig, er lachte und trug am selben Abend seit langem erstmals wieder ein paar Worte in sein Tagebuch ein: Ich glaube, schrieb er, ich habe nun all die wichtigen Entscheidungen meines Lebens getroffen, und zwar auf bestmögliche Weise, das heißt, alle schwierigen und dem Lebensweg dienenden Entscheidungen. Von jetzt an werde ich die Freiheit genießen, mich ganz auf meinen Job, den ich zum Glück habe, zu konzentrieren, die Frau an meiner Seite so zu lieben, wie es in meiner Macht steht, meinen Kindern nach Kräften zu helfen. Endlich herrscht Klarheit. Die Zeit der Metamorphosen ist vorbei. Ich habe mich selbst gefunden. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Makler genehmigte sich das Ehepaar einen Drink in einer nahe gelegenen Kneipe, die sie gewiss noch öfter aufsuchen würden, und teilten dann, wieder zu Hause, ihren halbwüchsigen Kindern die große Neuigkeit mit. Wie zu erwarten, zeigte sich Sarah unbeeindruckt, während der jüngere Tom begeistert war. Ernst und bedächtig setzte Daniel seiner Tochter auseinander, dass sie es außerhalb der Stadt viel besser haben werde. In einem größeren Haus habe sie ihr eigenes Reich. Das Mädchen zog ein Gesicht und schlug die Tür hinter sich zu. Dann können wir einen Hund haben!, rief Tom. Hilary nahm den Jungen in den Arm. Wir werden alle am Kamin sitzen, verkündete sie. Ich sprech gleich morgen mit dem Architekten. Der Frühling wird einmalig da oben auf dem Hügel, wiederholte Daniel. Sie waren noch nicht lange zu Bett gegangen, als das Telefon läutete. Hilary stand auf und legte den Hörer gleich wieder auf die Gabel. Wer auch immer das war, sagte sie, hat mal wieder aufgehängt, und als sie in seine Richtung blickte, wusste Daniel sofort, was sie vermutete. Wird nicht das letzte Mal gewesen sein, bemerkte er wie nebenbei, damit muss ein Richter sich wohl abfinden. Sie löschten das Licht. Im neuen Haus stehen wir nicht mehr im Telefonbuch, sagte sie. Hilary, flüsterte er. Ihre Hände fanden sich im Dämmerlicht des Zimmers. Diese Wohnung war schon seit Jahren zu klein für sie. Vielleicht könnte ich dir zu unserem Zwanzigsten ein besseres Klavier kaufen, meinte er. Das Jubiläum stand bevor. Ich bin ja so aufgeregt, Daniel, sagte sie. Sie hatte sich wieder beruhigt. In der folgenden Woche führte Daniel den Vorsitz in einem Fall wegen sexueller Belästigung. Er genoss seine noch neue Rolle. Ein Mann, der jahrelang bei der öffentlichen Kinderfürsorge gearbeitet hatte, war angeklagt, eine Fünfzehnjährige belästigt zu haben. Was Daniel auskostete, war die Freiheit, nicht mehr Partei ergreifen zu müssen, ob für die Verteidigung oder die Anklage. Das Mädchen war geistig behindert. Der Angeklagte hatte sie in dem städtischen Kleinbus nach Hause gefahren. Früher, dachte Daniel, ungerührt und perückengeschmückt hinter seinem Eichentisch, hätte ich alles daran setzen müssen, dem Staatsanwalt einen kleinen Fehler nachzuweisen, um diesen Mann freizupauken, obwohl ich von seiner Unschuld vielleicht gar ni

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